Anruf erbeten
Ein befreundetes Paar erzählt von den eigenen lieben Kinder, und, wie reizend, die rufen einmal pro Woche an, zum plaudern, einfach so. Ah ja, und wie geht es dem königlichen Nachwuchs eigentlich so? Sind ja auch ganz liebe Kinder, nüch?
Naja, stotter, schwitz, Majestät wissen nicht wirklich, wie's dem eigenen Nachwuchs geht.
Hoheit belieben auf dem Nachhauseweg darüber nachzudenken und kommen zu dem einzig möglichen, völlig logischen Schluss: wir sind gekränkt! Über die Tatsache, dass uns der eigene Nachwuchs, die elendigliche Brut, nicht wöchentlich anruft und uns erzählt, wie es den Unwürdigen geht. Immerhin wollen wir das wissen, wir müssen ja etwas schwadronieren können, wenn wir von Freunden gefragt werden. Und dann wissen wir nichts über die Vermaledeiten! Das ist ihre Schuld!
Nun, ein paar Tage später rufen Durchlaucht eins der Kinder an, weil
wieder Hilfe bei Gartenarbeiten benötigt wird, woauf das Kind, wie
jedes Monat, wenn ein Anruf aus der königlichen Residenz bezüglich
Unterstützung kommt
(siehe Königliche Hilfe), in ebendiese Residenz fährt und hilft.
Während man mit dem Kinde einträchtig am Gartenzaune werkelt, nutzen
Durchlaucht gleich die Gunst der Stunde, um ein Plädoyer über die
aktuelle Kränkung zu halten. Nun, wir haben feststellen müssen, dass wir
nur dann vom durchtriebenen Nachwuchs angerufen werden, wenn dieser
etwas braucht. Noch nie wurde Hoheit telefonisch kontkatiert, um über
die eigenen Befindlichkeiten zu plaudern. Das kränkt uns massiv. Ab
sofort verfügen wir, dass wir vom Nachwuchs einmal pro Monat angerufen
zu haben werden, um uns über den aktuellen Zustand Rapport zu erstatten.
Kind ist merklich verwirrt. Hoheit sind doch eigentlich die Person,
die anzurufen pflegt, wenn es um Hilfe geht, erstens, zweitens hassen
Majestät angeblich telefonieren, und drittens haben sich Hoheit noch nie
nach der Befindlichkeit von irgendeinem Familienmitglied erkundigt -
üblicherweise werden Hoheit rabiat, wenn man über die eigene und nicht
die königliche Befindlichkeit spricht.
Es ist der Weisheit des Kindes zu verdanken, dass es eben diese
Sätze nicht ausspricht, sondern nur denkt. Es schweigt, es nickt und
nimmt den Telefonhörer in den folgenden Jahren kein einziges Mal in die
Hand.
Macht auch nichts, denn Majestät wurden kurz danach von der Tatsache
gekränkt, dass die Putzhilfe den Staubsauger verkehrt hält, der hehre
Wunsch nach telefoischer Befindlichkeits-Berichterstattung war zwei Tage
später daher wieder vergessen.
Aus der königlichen Pathologie:
Selbsttäuschung: dass der König selbst nur zum Telefon greift, um etwas von den Kindern zu wollen, wird geflissentlich verdrängt, dass man grundsätzlich rabiat wird, wenn andere von sich sprechen, vergessen - es war uns schlicht peinlich, dass wir nichts über die Kinder wissen. Selbst an der Nase nehmen ist keine Option, bleibt nur Kränkung.