Aufklärung
Unser König hat mittels subtiler und rücksichtsvoller Methoden erwirkt, dass die Familie sich in einer mehrstündigen Session den cineastischen Experimenten Ihrer Hoheit hingibt (Nur kurz, bitte), sich also Filme von den ersten Urlauben des frischvermählten Königspaares bis zu Ausflügen mit dem postpubertären Nachwuchs ansehen muss, sogar mit Live-Kommentaren des Produzenten.
Am Anfang ist alles noch eitelwonne, Majestät haben hingebungsvoll die ersten Schritte der Kinder für die Ewigkeit festgehalten, hin und wieder durfte auch Madame Regie führen und Hoheit lächeln dann liebevoll, die Kinder glücklich im royalen Arme haltend, sehnsüchtig und verzückt in die Ferne blickend. Den Teil, wo Majestät fuchsteufelswild direkt in die Kamera schauen und Madame anfauchen, dass sie zu blöd sei, die Familienidylle auf Band festzuhalten, haben Durchlaucht vorsorglich aus dem Gesamtwerk geschnitten.
Es wird immer später, man fängt an zu maulen, so aufregend sind die Kinderfilme dann auch wieder nicht. Die Familie besteht mittlerweile nicht nur aus selbstgezeugtem Nachwuchs, sondern auch aus dem Anhang von ebendiesem, und auch dieser überwindet endlich die höfliche Zurückhaltung und kündigt einen Aufbrauch ins Bett an.
Hoheit intervenieren. Aber liebes Schwiegerkind! Jetzt doch noch nicht! Die lustigen Sachen kommen doch erst!
Majestät, danke, es war sehr schön, ist nett, den eigenen Partner schon vor Altersdemenz in Windeln zu sehen, eh, nun ist aber wirklich Schluss, Müdigkeit und so.
Nein, nein, das Schwiegerkind müsse die Filme abwarten, wo das Kind in die Pubertät kommt! In den Filmen mit den Windeln, jaja, da war es lieb. Aber Majestät habe die Verpflichtung, dem Schwiegerkind die späteren Filme zukommen zu lassen!
Wieso, bitte?
Na damit das Schwiegerkind endlich sehe, was für einen Pleampel es da geheiratet hat! In seiner Pubertät nämlich zeige das Kind endlich sein wahres Gesicht! Und Hoheit haben gottseidank das alles auf Band festgehalten, wie aufsässig die Brut ist und wie frech sie dem liebenden Vater dagegenredet! Hoheit fühle sich verpflichtet, das Schwiegerkind über den wahren, verdorbenen Charakter des Kindes aufzuklären.
Aus der königlichen Pathologie:
Selbsttäuschung: in pubertierendes Kind, das sich eigenständig entwickelt und aus dem Muster des unterwürfigen Hofstaates ausbricht, ist für den König nicht weniger als eine lebenslange Verletzung. Dass niemand anderer von dem Kind eine solche Verletzung erfahren hat, kann er nur damit erklären, dass er als einzige Person den wahren, bösen Charakter des Kindes erfahren durfte.