Das Allround-Genie
Ein Kind kommt ins Elternhaus, klassischer Kurzbesuch. Madame erkundigt sich nach der kindlichen Befindlichkeit und Kind eröffnet: im Prinzip alles im Lot, aber leider, das Auto spinnt, irgendwas mit Keil und Riemen, das Vehikel musste zum Mechaniker befördert werden.
Majestät hören das Gespräch und werden säuerlich. Wieso zum Mechaniker? Sowas kann man doch selbst machen! Ob das unfähige Kind denn nicht wisse, wie man Keil und Riemen repariert?
Kind verdutzt. Naja, um ehrlich zu sein: der schulische Unterricht war mehr theoretischer Natur, und auf der Uni gab's kein Geld für kaputte Studienfahrzeuge in der Do-It-Yourself-Keil-und-Riemen-Vorlesung. Elendigliche Sparpolitik.
Majestät verdrehen die Augen und seufzen mit Inbrunst. Selbstsicher blöd ist dieser Gschropp. Das gehört zur Allgemeinbildung, man muss wissen, wie man das repariert, dann braucht man auch keinen Mechaniker, da spart man Geld, Majestät machen sämtliche Reparaturen an den herrschaftlichen Kutschen selbst. Wir dachten, unser Nachwuchs sei auch zu solch bemerkenswerten Gedankengängen fähig.
Ob das Kind denn nicht deshalb studieren durfte, um sich mit dem durch den Abschluss erhöhten Gehalt einen Mechaniker leisten zu können? Die akademischen Finger sollen ja nicht schmutzig werden, nicht wahr?
Das Gespräch sei Majestät jetzt zu blöd, Majestät seufzen wieder und verdrehen die königlichen Augen, dass wir so ein unfähiges Kind herangezogen haben, das hätten wir nicht gedacht, aber was soll's, nun ist es zu spät, wir werden dank der uns angeborenen Nachsicht schon damit leben können.
Im Laufe des Besuchs, Riemen und Keil sind längst vergessen, fällt dann Madame ein: ah ja, da ist was mit dem Handy, liebes Kind, bevor du wieder fährst, sei doch so nett und schau dir das an. Kind nimmt sich der Sache an, wischt links, wischt rechts, erklärt, schaut, tippt, königliche Hoheit nebst Madame stehen staunend dahinter und beobachten, was man so alles mit ein bisserl Wischen erreichen kann, da ändern sich Klingeltöne und Hintergrundbilder mit zwei Fingerbewegungen.
Während das Kind so wischt, stupst Madame Hoheit an und zischelt: ob Ihro heimwerkliche Durchlaucht denn nicht erkenne, dass das Kind durchaus begabt sei, zwar nicht in punkto fahrbarer Untersatz, aber jedenfalls bei Wischtelefonen, und das sei ja wohl in der heutigen Zeit durchaus sinnvoll.
Majestät nicken beschwichtigend. Jaja, schon recht, wird Madame zugeflüstert. Und dann mit voller Lautstärke: Majestät müssen aber anmerken, dass Majestät selbst ebenfalls sehr bewandert sei bei Handys! Man müsse sich nur vorstellen: in unserem Alter! Was wir alles können! Alle anderen in unserem Alter, da sieht man wieder, was die für Idioten sind, die können viel weniger! Und beim Computer erst! Wir konnten uns in kürzester Zeit (so 15 bis 20 Jahre) mit dem Auf- und Abdrehen des Geräts vertraut machen und heute, da surfen wir im Netz, aber Hallo, alle anderen in unserem Alter können das niemals so gut!
Na ob Majestät denn auch die Veränderungen am Telefon hätte vornehmen können, die das Kind so geschickt in wenigen Sekunden umgesetzt hatte?
Selbstverständlich. Wenn wir uns damit beschäftigt hätten. Wir können uns mit sowas beschäftigen. Wir wollen nur nicht. Wir haben für solche Dinge nämlich keine Zeit.
Aus der königlichen Pathologie:
Demütigung anderer: Um sich selbst besser zu fühlen, muss der Narzisst andere demütigen. Meistens ist davon die enge Familie betroffen, wenn sich etwa Kinder anhören müssen, wie unfähig sie in einer bestimmten Tätigkeit im Vergleich zu Hoheit sind. Für zukünftigen königlichen Nachwuchs verspricht das, eine tolle Kindheit zu werden.
Selbsteinschätzung: Wehe, jemand ist dem Narzissten einmal überlegen. Wie ein Kleinkind muss er dann darauf bestehen, dass er trotzdem ganz großartig, oder zumindest besser als die von ihm gewählte Vergleichsgruppe ist.