Der soziale Kreislauf

Majestät sind derzeit gerade unzufrieden mit dem Großteil des Hofstaats. Ein jung-erwachsenes Kind hat einen seltsam anmutenden Partner, ein anderes Kind pubertiert gerade, Madame befinden sich unentwegt auf Selbstfindungsseminaren. Entsetzlich, Hoheit werden vom Leben gebeutelt.

Im Hobbyverein finden Majestät einen schmucken jungen Mann, erfolgreich, fesch, aus der Pubertät draußen, ohne zweifelhaften Partner, und erfreulicherweise immer anwesend. Der Star des Hobbyvereins. Hoheit freunden sich mit dem Feschak an, man unternimmt viel gemeinsam und plaudert. Das heißt: Majestät erzählen von der missratenen Familie, den derzeit wirklich absolut blöden Kindern, der unseligen Gattin. Feschak lauscht gebannt, da Majestät zwischendurch immer wieder Vergleiche anstellen, die darauf hinauslaufen, dass er, der Feschak in so vieler Hinsicht der eigenen Brut überlegen ist.

Feschak fühlt sich geschmeichelt, wer hört nicht gern, dass er der beste Nachwuchs, der zuverlässlichste Mensch, der vernünftigste Partner, der superlativste Superlativ ist. Kannst Hoheit glauben. Ehrlich.
Nun, der Feschak freundet sich nach und nach auch mit der Brut an, wird quasi Stammgast am königlichen Hof, geht gleichsam ein und aus und wird behandelt wie das perfekte Kind, der verlorene Sohn, das königliche Ebenbild, das Majestät nie selbst zeugen konnte. Die eigenen Kinder sind darüber nicht sonderlich erbost, vielleicht deshalb, weil derzeit gerade die königliche Aufmerksamkeit nicht auf ihnen ruht - Majestät kann dann zwar weniger hingebungsvoll liebender Vater sein, aber man ist halt auch merklich aus der Schussweite bei etwaigen Kränkungen und Wutausbrüchen. Auch ein Vorteil!

Aber, aber. Sobald der Feschak Majestät nicht hinreichend anhimmelt, erklären ihm Hoheit schon ungeniert, wieso er, der Feschak, jetzt ein unfertiger Mensch sei, wir wollen ja nicht sagen Idiot, aber er möge sich an Durchlaucht ein Beispiel nehmen an menschlicher Perfektion. Irgendwann will der Feschak dann auch nicht mehr hören, wie ihm permanent seine Schwächen vorgeworfen werden, er zieht sich zurück.

Großartiger Zufall: die Familie hat sich offenbar besonnen und ist nun ganz das Ideal eines herrschaftlichen Hofstaats, halt doch "eine liebe Familie", wie Hoheit das benennen möchte. Das eine Kind hat einen neuen Partner, diesmal genehm, das andere hat die Pubertät geschafft, ebenso einen Studienabschluss, und Madame ist ganz die Vorzeigegattin, macht Kochkurse und führt Hoheit in die nobelsten Geschäfte aus. Majestät loben die überragende Brut, auch coram publico, es ist eine familiäre Idylle!

Das geht für eine kurze Zeit gut, dann fangen Majestät aber wieder an zu nörgeln: da sei Madame nicht zu trauen, dort sei das eine Kind ein Huhn und das andere eine Enttäuschung, dann war das eine Kind wieder frech und das andere laut, und, Gott behüte, Madame hat sich einmal bei einer Rechnung geirrrt! Durchlaucht merken: uns wiederfahren p-e-r-m-a-n-e-n-t Kränkungen und Beleidigungen von der mißratenen Brut, allein durch ihre Existenz werden wir desavouiert, wir erinnern uns deutlich, dass irgendein Kind einmal unsere Vorzüge als Vater in Frage gestellt hat, dass es sogar gesagt hat, es wollte uns absichtlich Schaden zufügen. Aus den Nörgelein werden Stichelein, die gehen in gepfelgte, regelmäßige Wutanfälle über und enden schließlich in einem fanatischen Gebrüll Ihrer Durchlaucht, es wird gestampft, gefuchtelt, getobt, Gewalt angedroht (am Hofstaat und an sich selbst, je nach Laune), Durchlaucht ersticken fast an Ihro royalen Rage. Hofstaat reagiert, ähnlich wie der Feschak einst, mit Rückzug.

Welch Zufall! Neuer Hobbyverein, neues Glück: Hoheit erwärmen sich für ein anderen jungen Mann, das Ebenbild eines perfekten Kindes, fesch und erfolgreich, im Hobbyverein ständig anwesend. Man freundet sich an, Durchlaucht erzählen dem Erfolgreichen (das Gegenteil der eigenen Kinder!!!!) wie entsetzlich nicht der eigene Hofstaat ist, der Feschak lauscht wohlwollend, wie ihm erklärt wird, wie großartig er doch im Vergleich zu den frechen, hühnergleichen Kindern und der unfähigen Gattin ist. Dabei, das müsse der junge Mann wissen, waren Hoheit kürzlich in Therapie, der weltberühmte Profi habe Durchlaucht wissen lassen, dass wir seelisch pumperlgesund sind, die verdorbene Brut aber, das müsse sich der Feschak bitte vorstellen, die wolle Majestät aus purer Freude an seiner Zerstörung nur schaden (uns!!! uns Lämmchen, könne sich der junge Mann das vorstellen???? Er sehe doch, wie liebevoll wir sind!), das könne uns der junge Mann glauben, Hoheit sind von Kanaillen umgeben, die unseren Niedergang wünschen. Wie sehr wir uns doch über einen so anständigen jungen Mann freuen, der unsere Ängste und Sorgen versteht, dazu noch der Intelligenteste ist, und uns niemals Böses will, der erkennt, dass Hoheits einstündige Therapie unseren Charakter massivst geändert hat!


Nun ja, das Verhältnis dauert nun schon einige Monate, aber langsam, langsam, da fängt der Bub an, Schwächen zu zeigen. Eines ist schon völlig klar: Majestät sind dem Bub überlegen. In jeder Hinsicht. Und langsam, langsam, da möchten wir uns in Erinnerung rufen, dass wir eigentlich eh eine ganz liebe Familie haben. Aber nur keine Sorge! Der junge Mann ist perfekt und bewundernswert. Noch.


Aus der königlichen Pathologie:

Mißbrauch: Der König hat keine echten Freundschaften. Er sucht sich Opfer, die er zuerst umgarnt und manipuliert, damit sie ihn bewundern (im Zweifelsfall beliebte oder bekannte Menschen). Er kann aber nicht ohne regelmäßige Demütigung anderer leben (wie soll man sich sonst überlegen fühlen?), deshalb wird das Opfer immer mehr dazu mißbraucht, um sich selbst zu erhöhen. Das wird sich kein Opfer lange gefallen lassen. Zum Glück gibt es für solche Situationen dann den Hofstaat, auf den man regelmäßig, wenn die Externen geflohen sind, zurückgreifen kann. Denn dieser ist perfekt getrimmt und manipuliert: kein Kind will den Vater verlassen, kein Co-Narzisst will vom Narzissten geschmäht werden. Sie werden immer und immer wieder zurückkommen und hoffen, von ihm geliebt zu werden. So ein narzisstisches Lob, das ist ja auch ganz was besonderes. Vielleicht, weil's so selten kommt.
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