Die Orgel der Narzissten

Ein Kind kommt wieder nach Hause nach einem (kurzen) Kontaktabbruch. Hoheit zunächst kleinlaut, Kind kann im Kreise der Familie zu Beginn einen durchaus angenehmen Abend verbringen. Es geht lustig zu, ein munteres Gedränge und Geplauder.

Irgendwann sitzen dann das ehemals verlorene Kind und Majestät nebeneinander. Alle anderen am Tisch sind in tiefe Gespräche verwickelt (ergo keine Zeugen in unmittelbarer Sicht), also sprechen Majestät das Kind leise an: wieso es denn so unbedingt die elterliche Wärme verlassen wolle, ob Majestät wirklich immer so schlecht gewesen sind, diese übertriebenen Reaktionen seien doch nicht gesund.

Kind, schon viele Jahre erfahren mit all den Tricks und Maschen, hat innerlich vollkommen und endgültig mit dem Vater abgeschlossen, da es endlich von der Erkenntnis eingeholt wurde: Majestät empfinden keine Zuneigung im menschlichen Sinne, Majestät hält sich einen Stall von Menschen, um diese auszusaugen und ich selbst zu definieren. Ein Leben ohne der psychischen und emotionalen Existenz eines Vaters ist eigentlich auch ganz in Ordnung, zuweilen sogar angenehmer, weil man von den Beleidigungen nicht mehr berührt wird. Entsprechen kühl und gelangweilt fällt dann auch die Reaktion des Kindes aus.

Majestät werden wütend. Das gibt's doch nicht! Was für ein *Schimpfwort* Kind! Es sei völlig *Schimpfwort*, ein *fäkales Schimpfwort* Huhn, Völlig daneben und unbrauchbar, das sei doch *Schimpfwort (neu)* und idiotisch, dieses *Schimpfwort (ausgesprochen kreativ)* Verhalten.
Kind reagiert, sich ein Lachen verkneifend, wieder beeindruckend gelassen: Aha.
Majestät schnappen das Kind am Oberarm und ziehen den Nachwuchs an die starke Brust des liebenden Vaters. Eigentlich verstehen Majestät das Kind ja vollkommen. Das Kind sei Majestät so wahnsinnig ähnlich! Im Geheimen immer schon das Lieblingskind gewesen. Deswegen, ganz unter uns: so eine radikale Lösung, das wissen wir beide, ist nicht zielführend, ob wir uns nicht einig sein können, dass wir über unserem Charakter stehen und solche Kontaktabbrüche in Zukunft lassen möchten.
Kind zuckt mit den Schultern. Das wisse es nicht. Es sei ihm auch egal, welchen Charakter es habe, oder von wem. Gähnen. Grillen zirpen im Hintergrund.

Majestät sind verzweifelt, den Tränen nahe! Was haben Majestät nur falsch gemacht? Wir lieben doch unser Kind! Wieso verstehen das Kind uns denn nicht? Majestät wollten nie mehr, als absolute Liebe geben, alles für das Kind tun, es niemals beleidigen oder verletzen, Majestät wissen ja, dass nicht immer alles richtig gelaufen ist, aber wir haben uns bemüht! Und jetzt so abweisend! Kontaktabbruch! Wir lieben das Kind doch so unendlich!!!

Kind, man bestaune das Durchhaltevermögen: Mhm. Spannend. Was gibt's morgen zu Essen?
Majestät schwenken wieder zur Aggressivität, Madame hat aber mittlerweile mitbekommen, dass das Kind, das ohnehin so selten da ist, von Ihrer durchlauchten Liebensfähigkeit seit Geraumen okkupiert wird, erlöst als (diesmal wirklich) liebende Mutter den Spross und schleift Majestät aus dem Zimmer.


Aus der königlichen Pathologie:

Ausweg: Abschluss / Bruch mit dem Narzissten ist oft die einzige Lösung. Völler Bruch ist natürlich am wirksamsten, aber rein emotionaler oder psychischer Abbruch (also die völlige Befreiung von den Auswirkungen, die die narzisstischen Attacken haben) ist auch schon hilfreich - sofern das gelingt, ohne den Kontakt zu beenden.

Wandlungsfähigkeit: Der Narzisst zieht alle Register, nur um nicht ein Opfer zu verlieren. Es wird gedemütigt und beleidigt (klingt paradox, hat aber früher zu "Bitte-Papa-hab-mich-lieb"-Entschuldigungen geführt, daher durchaus sinnvoll), es werden Gemeinsamkeiten betont, oder wir sind plötzlich bemitleidenswert. Der Narzisst kann beliebig viele Register ziehen, um sein Opfer nicht zu verlieren. Komisch wird's, wenn kein Registert funktioniert, das Opfer also immun ist, und der Narzisst völlig überfordert im Minutentakt ein neues Register ziehen muss. Achtung - irgendwann findet er aber ein Register, dass zu untertänigsten Entschuldigungen und Betteln um königliche Liebe führen kann. Präventiver Rückzug wäre also angebracht.

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