Enterbt!
Jänner. Unsere
königliche Hoheit befindet es an der Zeit, sein Hab und Gut und
Grund und Haus, an seine Kinder zu überschreiben. Rechtzeitig, bevor
der Staat Erb-, Schenk-, und Nochmals-Besteuerungen einführt. Das
mag ganz vernünftig klingen, wir freuen uns alle über den lichten
Moment in dem sonst so negativ durchwirkten
Gehirn!
Ganze 11 Monate später dann, Dezember (Weihnachten!) ein unachtsames Wort, ein Streit, eine Eskalation, ein Fiasko. Nervenzerreibend.
Enterbung! Haus und Hof zurückgeben! Ihre
Majestät wurde beleidigt. Und dazu noch vom eigenen
Kind! Willentlich! Absichtlich! Auf königliche Nachfrage: ja, der
Nachwuchs hat mit Absicht provoziert. Gut, Ihre Majestät haben auch
ein wenig gestichelt und böse Dinge gesagt (wie etwa, dass sie sich
wünsche, der Nachwuchs wäre nie geboren worden), aber gut, Ihre
Majestät wurde beleidigt und provoziert, sie kann gar nicht anders,
als sich verbal zu wehren.
Wochen später: Immer noch tiefste Kränkung. Ihre kaiserliche Hoheit muss am Rande, abseits der Festgemeinschaft, den missratenen Nachkommen in der Küche wissen lassen: Tiefe Kränkung ob der vor Wochen zu Weihnachten zugefügten tiefen Beleidigung, die nämlich nicht eine Beleidigung im eigentliche Sinne, sondern, viel schlimmer, die - sogar auf Nachfrage bestätigte - Aussage des schimpfenden Kindes, dass sämtliche Beleidigungen nicht im Delirium oder Wahn geäußert wurden, sondern in der vollen Absicht zu provozieren. Eine Beleidigung dieses Ausmaßes, nämlich zuzugeben, dass man mit Absicht beleidigt (meine Frage wäre: wie sonst?), ist von apokalyptischem Ausmaß. Ja, eh, Majestät waren auch ein Rohrspatz, aber bitte, Majestät können nicht anders, Majestät hatten eine tragische Kindheit. Das schlimme Kind aber, der gemeine Nachwuchs, habe nicht aus emotionaler Schwäche gehandelt, sondern voll absichtlich den liebenden Vater beleidigt. Nachfrage des angesprochenen Kindes: aber war ihre Majestät denn nicht auch - zeitweise - ein nicht allzu intensiv liebender Vater sondern vielmehr immer wieder entgleisend? Schwerer Fehler. Wie lange das Kind denn noch gedenkt, die Fehltritte des Vaters ihm vorzuhalten? Ob es jetzt nicht endlich in einem Alter sei, sein Handeln von der Erziehung seiner Eltern unabhängig zu machen? Abgesehen davon: wissen Sie, wie sehr ihn das pubertierende Kind - damals - gekränkt und provoziert hat? Können Sie sich das Ausmaß dessen vorstellen, mit dem das unreife, "selbstsicher blöde" Kind den Vater gequält hat? Jeder Mensch hat ihn immer bewundert und geschätzt, zu ihm aufgeschaut!, nur das falsch erzogene Gör (das war die Mutter), hackte immer nur auf dem Vater herum. Können Sie sich vorstellen, wie arm er war? Bitte, stellen Sie sich das vor!
Immer
und immer wieder, minuten-, schließlich
stundenlang wird wiederholt, wie tief gekränkt seine Majestät sind. Eine
Entschuldigung, sofern auf Knien flehend vorgebracht, werde nur
akzeptiert, wenn Majestät das Gefühl haben, sie sei ehrlich
dargebracht und das Gefühl habe sie nicht, das erkenne sie am Blick
des Kindes. Gut, da hatte Majestät wirklich recht. Das Kind muss sich
konzentrieren, die königlichen Aussagen zu verstehen, hinzu kommt ein
Fliesenboden und die Knie des Kindes sind auch nicht mehr das, was
sie einmal waren. Majestät ist übrigens nicht entgangen,
dass das Kind nicht, wie nach dem weihnachtlichen Streit bereits
verlangt, Haus und Hof wieder an den Vater zurückgegeben hat. Nun,
das Kind räumt ein: den emotionalen Ausbruch der Majestät habe es nicht
ernst genommen. Gut, Majestät winkt
großherzig: Man verzeiht den Ungehorsam. Aber! Die
nächste herbe Enttäuschung: "Ich habe ja damit gerechnet, dass
der Tag kommt, an dem du mich enttäuschen wirst wegen der
Hausübergabe. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass es so
schnell geht, nämlich zwei Monate nach dem Überschreiben." Zwei?
Wieso zwei? Wir erinnern uns: Überschreiben im Jänner, Streit mit
nicht verkraftbarer Beleidigung im
Dezember. Majestät haben offenbar eine andere
Zeitrechnung.
Das Kind, der Schandfleck der väterlich-kaiserlichen Gene, lässt sich also beschimpfen und beschallen, anstatt an der Feier teilzunehmen, versucht es mit Flucht, Vernunft und Wutausbruch, nichts hilft. Der Streit wird dann beendet mit: Nun, Majestät haben festgestellt, das Kind hat Ihre Majestät zutiefst gekränkt, fast so schlimm wie die nun (ganz frei von Sarkasmus: wirklich zurecht) geächtete Halbschwester, deshalb, ein Versprechen: "Wenn in, sagen wir, fünf (wieso fünf?) Jahren deine Mutter stirbt (Was? Wieso sollte sie?), und eine neue Frau an meiner Seite ist (Wer außer die Mutter tut das?), und sie möchte das Haus haben, dann wünsche ich, ohne Anwalt und ohne Berufung auf unterschriebene Verträge (das wird rechtlich nicht ganz möglich sein, aber bitte...), dass sie das Haus einfach bekommt (Ernsthaft????). Das Versprechen musst du mir geben."
Das Kind gab das Versprechen, übrigens. Dafür durfte es dann den Raum verlassen, die Party war dann aber schon vorbei.Aus der königlichen Pathologie:
Täter-Opfer-Umkehr: Der König fügt Schaden zu, sieht das vielleicht noch ein, aber der Grund dafür liegt bei anderen, die Majestät in die Wut treiben, die sie permanent kränken. Das kann man ernstnehmen. Oder auch nicht.
Kränkung: Majestät können gekränkt sein. Lange. Der König merkt sich jeden Satz, der mit der Kränkung zu tun hat - es bleibt nur eine Entschuldigung. Und die muss sich gewaschen haben. Achtung. Eine könnte nicht reichen. Weil die merkt sich Majestät mitunter nicht so lange.
Mißbrauch eines Familienmitglieds: In seiner tiefen Verletzung wünscht der König die ersehnte Entschuldigung. Und die Person, die die Sucht nach Demut der anderen befriedigen soll, wird gequält. Unter Ausschluss von Zeugen, von der Gruppe abgetrennt, wird auf sie eingeredet. Auch wenn's schwer fällt: zur Gruppe laufen könnte die Monologe unterbrechen. Weil Majestät will keine Zeugen, wenn sie Befriedigung sucht.