Fernsehen, Teil 1
Majestät
belieben sich etwa drei bis fünf Mal am Tag über die aktuellen
Geschehnisse in der Welt zu informieren. Politik, national wie
international, Wirtschaft, Börse, Gesundheit, alles. So auch wieder
jetzt gerade, Programm: aktuelle Innenpolitik. Bericht über den
Gesundheitsminister.
Madame
betritt zufällig den Raum, sieht das Bild des Gesundheitsminiters und
kommentiert: schau an, schau an, so schaut der also aus, aha, den habe
ich noch gar nicht gesehen.
Majestät antworten: wir auch nicht.
Madame
findet das lustig, zumal Majestät mindestens dreimal pro Tag
Nachrichten zu schauen gedenken, das Gesicht müssen Hoheit doch schon
einmal aufgefallen sein.
Heftiger
Widerspruch, Tonfall und stechender Blick kündigen einen bevorstehenden
Wutaubruch an. Wo Madame denn bitte lebe? Majestät schauen kaum fern!
Also eigentlich gar nicht. Ja, gut, vielleicht im Urlaub, ein bisschen.
Wir müssen nun endgültig feststellen, dass Madame uns überhaupt nicht
wertschätzen können, dauernd werfe uns die niederträchtige Gattin etwas
vor! Dazu noch lauter Unwahrheiten!
Hoheit, bitte, das war kein Vorwurf, sondern eine bewundernde Feststellung über die königliche Informiertheit.
Wutanfall hiermit abgewendet.
Tage später. Majestät lesen einen Artikel über die modernen Zeiten. Immer mehr Menschen verbrächten dem Bericht zufolge sinnlose Zeit vor dem Fernseher, das neue Grundübel der Menschheit, vergeudete Zeit, alles schlecht. Durchlaucht informieren Madame über den Artikel: jö schau, hast du das gewusst - ich mein, betrifft uns nicht wirklich, aber jaja, die schlechten modernen Zeiten, es wird viel zu viel ferngesehen.
Aber auch wenn Hoheit davon nicht betroffen sind, und sowieso überhaupt nie fernsehen, so wird - vermutlich Zufall - das TV die nächsten Wochen wirklich nicht aufgedreht.
Aus der königlichen Pathologie:
Selbsttäuschung: Der König kann sich offenbar erstaunlich gut einreden, dass er eigentlich eh nie das macht, was er die ganze Zeit macht. Und stellt sich präventiv gleich in die Pole-Position eines Wutanfalls, falls jemand beleidigende Wahrheiten auszusprechen wagt.