Kofferpacken will gelernt sein
Majestät und Madame gedenken einen Kurzurlaub zu machen. Nichts pompöses, ohne Hofstaat und Dienerschaft, einfach nur zu zweit ein paar Tage Erholung, wenige Autostunden entfernt. Majestät fragen Madame, welchen Koffer Hoheit vom Dachboden hierfür holen soll, damit Madame auch die ganze königliche Garderobe unterbringen kann. Den blauen großen, oder den grünen kleinen?
Madame
denkt kurz nach und antwortet wahrheitsgemäß, dass sie dies jetzt noch
nicht sagen könne, sie müsse zuerst das gesamte einzupackende Gewand auf
einem Haufen sehen, dann könne sie noch eher abschätzen, ob's hierfür
großblau oder kleingrün werden soll.
Madame antwortet, dass sie das immer noch nicht wirklich wisse, das sei wirklich verflucht schwer einzuschätzen.
Majestät haken sanft nach: ob kleingrün passend wäre, vielleicht?
Madame zuckt mit den Schultern: Durchlaucht, das ist durchaus möglich, vielleicht, schwer zu sagen. Die Haufendimensionen sind weniger aussagekräftig als gedacht.
Majestät schreiten auf den Dachboden und belieben kleingrün zu holen.
Madame
packt Stück für Stück ein, dabei fürsorglichst beobachtet von Hoheit,
sie packt und packt, der Koffer wird voller, der Koffer ist voll, aber
ein Drittel des Gewandes, sowie das Necessaire liegen noch daneben,
außerhalb des Koffers.
Madame bemüht sich um Rechtfertigung: aber Majestät wussten doch auch nicht, welcher Koffer passen könnte?
Durchlaucht atmen tief und entsetzt ein, um anschließend inbrünstig zu seufzen. Na dafür fragen Majestät ja Madame. Ist die Angetraute jetzt gar auch noch blöd? Dass Madame so unfähig ist! Unmöglich!
Madame steht auf, nimmt sich eine Zigarette, zündet sie an und geht schweigend aus dem Haus. Majestät, militanter Nichtraucher (außer in Gegenwart von Rauchern, die Majestät beeindrucken wollen) dackeln Madame hinterher. Eh klar! Rauchen müssen Madame! Ständig diese Raucherei!
Majestät zetern und jammern, Madame schweigen, irgendwann ist dann die durchlauchte Stimme heißer und die Szene vergessen.
Madame verzeiht. Selbstverständlich, Hoheit, jederzeit. Eh klar, die Kindheit.
Aus der königlichen Pathologie:
Kritik:
Kritik am Narzissten ist eigentlich nicht gestattet, das führt zu
Tobsuchtsanfällen. Wenn aber Windrichtung und Wetter passen, kann man
durchaus einmal einen Kritikpunkt anbringen, sofern dieser innerhalb
einer Huldigung an den leicht Gekränkten versteckt ist.
Selbstverständlich aber wird der Narzisst einen Schuldigen für sein
Fehlverhalten benennen können.
Wutanfälle: Unser König könnte ja selbst eine Koffergrößeneinschätzung abgeben. Aber wenn er dann den falschen Koffer holt, müsste er auf sich selbst wütend sein (wieso eigentlich überhaupt wegen so einer Lapalie wütend sein?). Einfacher ist doch, jemand anderem eine Einschätzung abzupressen, um ihn bei Fehleinschätzung nachher mit einem befriedigenden Wutanfall zur Sau machen zu können. Da fühlt man sich gleich wieder überlegen. Jedem das seine, um den Tag zu versüßen.