Königlicher Stolz

Eins der Kinder hat Majestäts lang ersehnten Wunsch erfüllt und steht kurz vor dem Abschluss eines Studiums und dem Erhalt entsprechender akademischer Würden. Ihro Kritisierfähigkeit lässt sicherheitshalber den durchaus nervösen Nachwuchs unmittelbar vor der öffentlichen Prüfung wissen, dass Majestät schon grundsätzlich ein Huhn heranzogen haben, dass das Kind nicht wirklich verdient in die Liga akademischer Geistesgrößen aufsteigen wird und dass das Kind, aber das wisse es eh, noch unreif und unfertig sei (Majestät allein wissen, was genau ein "fertiger" Mensch sein möchte), da helfe der ganze baldig verliehene Titel nichts. Und Majestät wisse wovon sie rede, immerhin war Majestäts Vater Akademiker, aber ein richtig gescheiter, so gescheit, dass seine Doktorarbeit derart bahnbrechend ihrer Zeit voraus war, dass sie nicht anerkannt werden konnte. Majestät lassen sich dann doch zu einem versteckten (und zweifelhaften) Lob hinreißen: die Gescheitheit habe das Kind ganz klar vom verkannten Großvater.

Der große Tag ist schließlich gekommen, sämtliche Familienmitglieder wohnen, vor Stolz platzend, der öffentlichen Prüfung bei, um im Anschluss mit dem frisch gebackenen Akademiker beim anschließenden Umtrunk anzustoßen. Majestät beehrt ebenfalls die Prüfung, folgt dem Tross auch in die Räumlichkeiten zur Feier, entschuldigt sich aber sofort: Majestät müsse leider die Feier verlassen aufgrund wichtigerer Termine im Hobbyverein. Kind kurz erstaunt, hätte es doch, hach wie narzisstisch, die eigene akademische Feier im Augenblick als wichtigstes Tagesereignis der Familie eingeschätzt. Aber Kind neigt zu positiver Sichtweise und freut sich, dass es so zumindest nicht von König Narziss vor all den Kollegen blamiert werden kann. Kind lässt Majestät also in Frieden gen Hobbyverein ziehen.

Majestät haben danach nie wieder den Erfolg des sonst unbrauchbaren Nachwuchses erwähnt, keine Umarmung, kein Kommentar, kein lobendes Wort - im Gegenteil, wenn das Tischgespräch auf das honorable Event fällt, pflegen Majestät rasch das Thema zu wechseln, verständlich, die königlichen Abenteuer im lokalen Hobbyverein sind nicht nur spannender, sondern auch ungleich erfolgreicher. Sämtliche Kollegen vom Verein, zufällig im Alter des akademischen Kindes, werden über alle Maße gelobt: durch die Bank fertige Menschen, erfolgreich, frei von Hühnergenen und sämtliche Würden verdient erhalten.

Das Kind resigniert: Majestät hält offenbar wenig vom abgeschlossenen Bildungsweg.

Madame beschwichtig: nein, nein, der Papa freut sich eh, er kann's halt nicht so zeigen.

Immerhin!

Wochen später. Kind trifft einen der lobenswerten, menschlich abgeschlossenen, leistungsstarken und verdienten Vereinskollegen. Der erzählt ganz verzückt: Majestät renne im Verein mit der gebundenen Abschlussarbeit des Kindes herum, zeige sie allen Kollegen und verkünde vor Stolz platzend die Leistungen des nicht zu überbietenden Nachwuchses, ja, Wunderkindes.

Kind hört das. Kind freut sich. Hurra, Majestät lieben mich doch!

Kollege hätte schweigen sollen, doch er holt aus. Majestät erzählt nämlich weniger vom Kinde, als von sich. Vor Stolz platzend sind Majestät eher vom gelungenen majestätischen Werk, immerhin sind die königlichen Ersparnisse in die Ausbildung, die königliche Liebe in die Persönlichkeit, die königlichen Gene in die Intelligenz und die königliche Erziehung in das Durchhaltevermögen geflossen. Ein jahrzehntelanges Projekt, dieses Kind, präsentiert wie ein Pokal, der die Leistungen des liebenden, alles menschenmögliche auf die Beine stellenden Königs endlich - lang genug haben Majestät ja warten müssen, aber Majestät belieben geduldig zu sein, wenn's drauf ankommt - hinreichend gewürdigt.


Aus der königlichen Pathologie:


Bewunderung: wenn jemand anderes Bewunderung bekommt, können wir so gar nicht damit leben. Schon gar nicht, wenn's das eigene Kind ist, denn eigentlich steht ja uns die Bewunderung für den Erfolg des Kindes zu. Immerhin haben wir dafür auch etwas geleistet! Die Kinder, die Familie - die Opfer - stehen stets hinter dem Narzissten. Damit können sie sich abfinden. Sie müssen aber nicht.

Missbrauch: Vom Narzissten Lob zu erwarten ist nahezu naiv. Er kann es nicht zeigen, weil er es nicht spürt: der narzisstische Elternteil hat keinen Grund zu loben, denn die nähere Umgebung entspricht ja grundsätzlich nicht den Erwartungen. Insofern lobt er auch nicht das Kind vor anderen Menschen, er benutzt es, er missbraucht es, um sich selbst zu schmücken. Das sollte man vor Augen haben, sofern einmal lobende Worte aus dem Munde der Hoheit kommen.

Erstellen Sie Ihre Webseite gratis! Diese Website wurde mit Webnode erstellt. Erstellen Sie Ihre eigene Seite noch heute kostenfrei! Los geht´s