Lautes Schweigen
Königlicher Nachwuchs wiedermal auf Besuch. Dasjenige der Kinder, welches in den letzten Monaten besonders oft zum Handkuss gekommen war, beschließt, die kommenden zwei Tage hauptsächlich schweigend durchzustehen, Motto "Augen zu und durch", um nur ja nicht wieder Grund für eine Kränkung Ihrer Majestät zu sein (ein altruistisches Motiv darf bezweifelt werden). Es hat ein Rätselbuch gekauft und schafft es tatsächlich, das gesamte Wochenende schweigend am Familientisch zu sitzen und Rätsel zu lösen. Währenddessen schildern Majestät im Dauerfeuer, erzählen von Ihro Heldentaten während der Arbeit, der tiefen "emotionalen" Verwirrheit ob eines Unglücksfalls im entferntesten Bekanntenkreis, über die medizinisch bedeutende Grundsatzfrage ob Majestät Beidhänder seien, dann wieder über die Heldentaten und schließlich erneut über den Unglücksfall.
Späterer Abend, man glaubt die zwei Tage gut überstanden zu haben, da wünscht Majestät eine Unterredung mit dem Rätselkind. Majestäts Existenz sei durch die Unfähigkeit des Rätselkindes beleidigt, das mussten Majestät nämlich ferstellen, als sie unlängst den verabscheuungswürdigen Nachwuchs in der Arbeit besucht hatte (Schade, das Kind hatte sich damals über elterlichen Besuch gefreut...). Die genaue Wortfolge ist zu weitführend und unterscheidet sich ohnehin nur marginal von früheren Feststellungen über die Unfähigkeit des Nachwuchses. Dem Leser sei mit einer Zusammenfassung geholfen: Majestät musste feststellen, dass das Kind ungeeignet für die Arbeit sei, sich blöd anstelle und permanent rede (Anm.: der Autor kennt besagtes Kind zufällig und das exakte Gegenteil ist der Fall), das allzeit beliebte Schimpfwort "Huhn" ist mehrmals gefallen. Und dadurch, dass das Kind ununterbrochen quatsche, beleidige es halt auch sehr schnell andere, so auch dieses Wochenende.Kind
hinterfragt (verzweifelte Anm.: werden wir denn nie gescheiter?): aber
es könne Majestät doch gar nicht beleidigt haben, denn es habe
hauptsächlich geschwiegen.
Majestät
denkt angestrengt nach, sucht nach einem Moment, wo das Kind sehrwohl
den ungeliebten Schlapfen offen gehabt haben möchte, samt Beleidigung,
versteht sich.
Ob
Majestät denn nicht aufgefallen sei, dass es seit über 30 Stunden
entweder schlafe oder Rätsel löse, ohne auch nur ein Wort zu sagen, hakt
das Unfähige nach.
Nun erinnert sich Majestät. Ja, natürlich, das ist Uns aufgefallen. Aber so leicht gibt sich Majestät nicht geschlagen - eloquent kontert Ihre durchlauchtigste Beobachtungsfähigkeit: "Aber da siehst du's! Du löst sogar Rätsel laut!"
Aus der königlichen Pathologie:
Kränkung: Die Taktik des
Kindes, sich schweigend aus der Affäre zu ziehen war eine hehre, es ist
aber zu bezweifeln, dass der Narzisst sein Opfer dann auch in Frieden
lässt. Hat er einmal ein Opfer, beißt er sich fest.
Dauerfeuer
Majestät sind die wichtigste Person auf der ganzen Welt, und seine Geschichten sind so spannend, dass sie mitunter auch gerne mehrfach wiederholt werden - solange es ein Publikum gibt.
Verzerrung der Realität: Dem Narzissten ist sehrwohl aufgefallen, dass sein Opfer geschwiegen hat und demnach unschuldig sein muss. Um dieses Eingeständnis zu verhindern, kann kein Vorwurf zu absurd sein.