Privatsphäre
Das
königliche Anwesen ist ein ebensolches, sprich: großes Haus. Zunächst
putzt Madame ebendieses selbst, aber als dann all ihre Kinder aus dem
Volkschulalter sind, sucht - und findet - sie einen Job, der dann doch
nur mit Mühe unter 50 Wochenstunden zu bewältigen ist.
Ihro erzkonservative Durchlaucht sind zunächst nicht damit
einverstanden, dass Madame das Bild der Fünfzigerjahre-Vorzeige-Familie
verlässt, aber nachdem der erste Gehaltscheck eintrudelt, wähnen sich
Hoheit als Schwerverdiener, zumindest wenn man ihre beiden Gehälter
zusammenzählt und aufrundet.
Madame
hält das dann genau ein halbes Jahr durch, die Kinder zu erziehen,
einen erfüllenden Job zu haben, einen Mann mit originellen Bedürfnissen
zu ver-, sowie eine kränkelnde Schwiegermutter zu umsorgen und zudem
noch das Haus zu putzen. Sie beschließt daher, eine Putzhilfe zu
engagieren.
Königliche Reaktion:
Tobsuchtsanfall. Erstens, die koste Geld.
Madame verdiene aber auch eine Stange davon.
Zweitens,
ob Madame damit nicht ihre Unfähigkeit als Hausfrau eingestehe? Nachdem
sie offenbar nicht einmal putzen kann, müssen sich Majestät schon
fragen, ob sie dann auch als Mutter für seinen Nachwuch überhaupt
geeignet ist, und in weiterer Folge sind dann auch ihre Eigenschaften
als Ehefrau in Zweifel zu ziehen.
Hoheit, ich habe nunmal keine Zeit dafür.
Drittens: eine fremde Person betretet die königliche Privatsphäre, diese stört unsere Kreise!
Hoheit, die Putzhilfe kommt immer nur dann, wenn Ihr arbeiten seid, Ihr werdet Ihre Anwesenheit nicht einmal bemerken!
Aber
wir feinfühliger Mensch wissen dann doch, dass da jemand in unseren
Räumlicheiten war! Wir wünschen keine fremden Menschen! Nobles Räuspern,
nasale Stimme: "Die Menschen sind uns näher, je ferner sie uns sind."
Bevor wir Fremde in unsere Privatsphäre lassen, putzen wir lieber
selbst!
Hoheit, gerne. Jederzeit. Links ist der Staubsauger, rechts der Kübel.
Gut.
Wir haben jetzt auch keine Zeit dafür. Wir haben Kinder, die wir
plötzlich über den Fortschritt in der Schule fragen müssen (in welcher
Klasse sind die nochmal?), wir haben einen Job, und die Mutter müssen
wir fragen, wie die Betreuung von Madame ist. Fein, dann also Putzhilfe -
aber spätestens bis zur Pension! Danach putzen wir selbst, und zwar
nicht nur besser als diese unfähige Putzhilfe, nein, wir werden es
sogar in der Hälfte der Zeit machen!
Die
Jahre vergehen, Majestät sind in Pension. Madame erinnert Hoheit an das
einstige Versprechen. Und Majestät putzen tatsächlich einmal, auch wie
angekündigt in der Hälfte, allerdings nicht der Zeit, sondern der
Räumlichkeiten.
Ein halb geputztes Haus will dann aber Madame wieder nicht haben, sie
engagiert also wieder die Putzhilfe.
Der genaue Wortlaut des Tobsuchtsanfalls ist dem Beginn dieses Artikels zu entehmen.
Aus der königlichen Pathologie:
Nähe: Der König scheint keine wirkliche zwischenmenschliche Beziehung aufbauen zu können; die Nähe zum Hofstaat basiert ja nicht auf echten Emotionen - sie wird nur ab und an simuliert, um den eigenen Selbstwert zu regulieren. Nähe zu fremden Menschen dient ebenfalls nur dem persönlichen Gewinn - solange die Putzhilfe also keinen Mehrwert für des Königs Ego birgt, wird sie als Störung empfunden. Vielleicht könnte man dem König einreden, dass sie in Wirklichkeit ein untergetauchter Opernstar ist?