Schwiegerkinder, Teil 1
Erste
längere feste Beziehung eines Kindes. Die anfängliche Verliebtheit
belieben Majestät natürlich nicht ernst zu nehmen, Details über
die auserwählte Person werden nicht erfragt, die ganze Sache wird
ignoriert. Dann aber wird's ernster, Ihre besorgte Durchlaucht
beginnen Fragen zu stellen, denn Madame hat ein paar
besorgniserregende Details durchsickern lassen. Welche Ausbildung nun
genau der jugendliche Partner habe?
Kind
strebt die Matura an, Teenager-Partner ist vorher schon Richtung
Arbeitswelt abgebogen.
Ob
das Kind denn glaube, ein Arbeiter sei das richtige für die
gemeinsame Zukunft.
Welche
gemeinsame Zukunft? Kind und Partner haben noch Pickel im Gesicht,
Vorstellungen über die gemeinsame Zukunft enden in Plänen über die
Wochenendgestaltung. Madame erinnert Majestät höflich daran, dass
Majestäts akademische Karriere ebenfalls mit einer abgeschlossenen
Lehre geendet hatte.
Nun
ja, Majestät haben aber Vermögen, Majestät haben Haus und Hof. Aus
welchem Anwesen genau nochmal käme das dahergelaufene Schwiegerkind?
Schwiegerkind
käme aus einer Wohnung.
Ob
denn in
der die ganze Familie hausen müsse?
Ja,
aber die gegnerische Familie hat in der durchaus ansehnlichen Wohnung
genug Platz, ferner könne sich der arbeitende Wohnungsinsasse dank
Arbeit in Bälde eine eigene Wohnung leisten.
Ob
sich das Kind denn vorstellen könne, mit so jemanden den
Dynastieerhalt zu sichern?
Das
Kind denke zur Zeit nicht an Dynastieerhalt, das Kind will sich
vorerst nicht fortpflanzen.
Madame
wird langsam unruhig, denn sie ist der Meinung, dass auch Majestät
keinen einzigen Gedanken - bei einem gerade mal geschlechtsreifen
Kind - an Dynastieerhalt verschwenden solle, weil Majestät möchten
sich den Schlamassel bitte vorstellen, wenn das Kind eben den
Gedanken auch sofort umsetze.
Majestät
leben am schönen Lande, da gelten nun einmal Hektar und
Familiendynastien mehr als Liebe, letzteres sei für den Pöbel. Das
Schwiegerkind wisse so etwas nicht, denn woher nochmal käme das
Verschmähte?
Aus
der Stadt, Majestät, aus der Stadt.
Da
sehe man wieder die Diskrepanz. Es sei ja peinlich für Majestät,
wenn ein Städter im Haus, was heißt: im Anwesen!, ein und aus ginge
und mit Städter-Kennzeichen in den Garten, was heißt: Park!,
einfahre.
Madame
erinnert Majestät vorsichtig, dass a)
Madame selbst aus bescheidenen Verhältnisses käme, dieses für den
Königsvater ein Malheur war und Ihro Durchlaucht aus purer Liebe
trotzdem Madame geheiratet habe. Zudem war b) der
Königsvater selbst ein Städter und damit sei Majestät in ihrer
Kindheit immer wieder aufgezogen worden, Majestät möchten sich
bitte erinnern.
Schlagfertige
Antwort: Der Vater
seiner durchlauchten Dynastiegründung sei aber ein Genie gewesen,
ein verkanntes noch dazu, die Tölpeln im Ort hätten das nicht
verstanden!
Nun, die Jahre vergehen, die Beziehung hält an, Kind hat Matura, Nichtmehrsoganz-Teenager-Freund erfolgreich, glücklich und gut in der Arbeiterwelt. Majestät belieben etwa im Wochenrhythmus das Kind auf die miserable Partnerwahl hinzuweisen, bemängelt abwechselnd Herkunft, Vermögen und Ausbildungsstand. Madame bemüht sich um Schlichtung, irgendwann verfallen Majestät schließlich in resigniertes Schweigen - allerdings, nachdem Ihre stichelnde Durchlaucht die bemerkenswerte Beobachtung gemacht hat, dass das Schwiegerkind wenigstens nicht stinke.
Nach
weiteren Jahren dann die langersehnte Trennung. In Frieden und
Freundlichkeit gehen Kind und Ex-Schwiegerkind getrennte Wege, beide
keine Sekunde die lange Beziehung bereuend.
Majestät
kommen kleinlaut zum Kinde, beginnend mit einer geflüsterten
Entschuldigung. Ja, Majestät müsse sich entschuldigen. Nicht etwa
für die wöchentlichen
Demütigungen und
Hassreden gegen den Ex-Partner, die jahrelangen Gemeinheiten und
Unterstellungen, nein, Majestät entschuldigen sich dafür, dass
Majestät nicht eher erkannt haben, dass das eigene Kind auch ohne
väterliche Hilfe fähig gewesen sei, diese unsägliche Beziehung zu
beenden.
Aus der königlichen Pathologie:
Selbstdefinition: Es ist völlig egal, ob das Kind glücklich ist oder nicht - die Beziehungen der eigenen Kinder sind einzig und allein weitere Statussymbole für die aktuelle Selbstdefinition von Majestät. Im schlimmsten Fall erzeugt der Narzisst damit eine Trotzreaktion, die dann tatsächlich zu einer unglücklichen Beziehung führen kann. Bleibt nur: Geheimhaltung des Partners oder völliges Ignorieren der väterlichen Ratschläge. Fragt sich nur, ob das gelingt.Realitätseinschätzung: ein leidiges Thema. Dass die eigenen Unzulänglichkeiten anderen vorgeworfen werden, wird nicht erkannt. Im Gegenzug ignoriert man dann aber auch die Haltung des Kindes. Ist ja auch irgendwie fair, nicht?