Spendierfreudigkeit
Majestät haben Arbeiten an der Außenfront des Hauses zu erledigen, im Prinzip ja auch sinnvoll, Fenster und Fassade alle Boot zu renovieren. Wie in kleineren Ortschaften in Grenzregionen durchaus üblich, kommt an besagtem Tag ein Straßenhändler vorbei, im Gepäck für den Haushalt unentbehrliche Gegenstände, etwa vom LKW gerutschte Mobiltelefone für chinesisch sprechende Endverbraucher, aus Fabrikshallen gerollte Keramikmesser mit Plastikkern, oder auch kaum gefahrene Ausstellungsstücke von Luxusuhren mit bröckelnder Legierung.
Majestät lehnen zunächst dankend ab. Aber der Straßenhändler kommt nicht auf der empathischen Nudelsuppe daher geschwommen, denn er lobt in gebrochenem Deutsch das majestätische Werk, bestaunt die royalen handwerklichen Künste und schmiert, kurz gesagt, Ihro Standfestigkeit Honig ums Maul. König Narziss schwelgt in der Bewunderung, lässt sich auf ein Gespräch ein und schon ist der Straßenhändler um zwei "Keramikmesser" und ein chinesisches Handy ärmer, dafür um 600 Euro reicher, gratis gibt's um 100 Euro noch ein Ledertäschchen fürs Handy von Louis Witton dazu.
Majestät präsentieren am Abend vorm Hofstaat die erworbenen Luxusgüter, die ja laut Straßenhändler (und der weiß wovon er redet, denn er hat erkannt, wie toll Majestät die Fassade renovieren, ergo Profi) ideal zu Majestäts Lebensstil passen. Der Hofstaat ist entsetzt. Wieviel das Klumpat denn gekostet hätte, fragt endlich ein fassungsloses Kind.
Nur 600 Euro, das war ein Spezialpreis für Ihre königliche Markengeilheit!
Ein Kind inspiziert das Handy und klärt Majestät auf, dass es - sofern Hoheit nicht zufälligerweise in den letzten Minuten fließend Chinesisch gelernt habe - unbrauchbar für europäische Verbraucher wäre, Madame erklärt, dass ein mit Keramik überzogenes Plastikmesser mitnichten durch irgendwas gehen würde, schon gar nicht durch Butter. Majestät sind enttäuscht, aber gut, reden wir nicht mehr davon. Nachdem die erworbenen Luxusgüter kurz darauf allesamt im Müll gelandet sind, ist die Geschichte vergessen.
Monate später. Majestät nebst Hofstaat geruhen einen Ausflug zu machen. Kurz vor der Abreise nach Hause erledigen Majestät mit dem - heute ausnahmsweise durchaus brauchbaren - Nachwuchs Besorgungen, Madame flaniert einstweilen wartend durch die Bahnhofsgebäude. Ein junger Mann spricht sie an, gepflegt und seriös wirkend, schwafelt von höchst unglücklichen Umständen, die zum Verlust seiner gesamten Barschaft und der daraus folgenden Abhängigkeit von der Güte fremder Menschen geführt haben. Madames Herz wird erwärmt und sie spendet dem jungen Mann 10 Euro für die Heimfahrt nach Fürstenfeld.
Die Familie ist kurz darauf wieder vereint und Madame erzählt von dem unglücklichen jungen Mann und ihrer Spendierfreudigkeit. Ihre Hoheit explodiert. Was sich Madame einbilde, eine solche an den Haaren herbei gezogene Geschichte zu glauben, wie naiv Madame nicht ist, Majestät schämen sich mit so einer Idiotin verheiratet zu sein, das sei wieder ihre typische Gutmütigkeit, permanent werde sie deshalb von anderen ausgenutzt, diese Leichtgläubigkeit treibe Majestät noch in den Ruin! 10 Euro für die Fische! 10 Euro! Kann man sich das vorstellen?
Ob Majestät nicht unlängst 600 Euro in den Sand gesetzt haben?
Das sei etwas anderes. Dass die versprochene Qualität der straßenhändlerischen Luxusgüter nicht hielt, sei ja nicht zu erwarten gewesen, aber so eine Geschichte, wie blöd muss man, die 10 Euro seien doch für Drogen und nicht für ein Zugticket. Majestät erlässt umgehend ein Gesetz: dem Hofstaat ist es ab sofort untersagt, sich von fremden Menschen ansprechen zu lassen. Majestät selbst ausgenommen, versteht sich.
Aus der königlichen Pathologie:
Bewunderung:Sobald jemand den Narzissten bewundert, schalten sich sämtliche - sofern überhaupt vorhanden - rationale und überlegte Gedanken ab, er ist so süchtig nach Lob und Anerkennung, dass er in diesem Zustand praktisch unzurechnungsfähig ist.
Selbsteinschätzung: wie immer werden die
eigenen Fehler nicht als solche erkannt, beziehungsweise sind sie durch Fehler
anderer oder äußere Umstände passiert, kleine Fehltritte anderer hingegen
werden zu Staatsaffären aufgebauscht. Vermutlich, um von denen eigenen Fehlern
geschickt abzulenken. Sinnvoll wäre daher, den König prinzipiell nicht ernst zu nehmen. Könnte angenehmer sein.