Tellerstapelei
Typisches Frühstück in der königlichen Residenz. Madame hat schon am
Vorabend die Butter aus dem Kühlschrank gegeben, damit sie hübsch
streichfähig ist, sie steht dann auch früher auf, richtet das Essen
her, stellt Teller auf den Tisch und toasted das Brot. Damit das
Personal nicht zu sehr unter der Bereitstellung der optimalen
Konsistenz der Speisen leiden muss, lassen der König freundlicherweise
nur zehn bis maximal sechzig Minuten verstreichen, bis auch er sich an
den Frühstückstisch bequemt.
Schwerer Fehler! Normalerweise nämlich wäscht Madame unmittelbar nach dem Frühstück
auch das ganze Geschirr sofort ab, vorsorglich, da Majestät nichts
weniger ausstehen können, als unsauberes Geschirr. Nur heute
blöderweise Stress, Hoheit haben dazu etwas länger beim Aufwachritual
gebraucht, ergo verspätetes royales Frühstück, sie will also später abwaschen.
Hoheit kommen zufällig an der Küche vorbei und stellen fest: das
Geschirr ist nicht abgewaschen! Wir mögen das nicht! Durchlaucht
durchstreifen das Anwesen auf der Suche nach Madame und finden sie
beim Haarefönen im Badezimmer. Wieso ist das Geschirr noch schmutzig?
Naja, ich bin noch nicht dazugekommen, ich mach das später.
Das haben Madame nicht später, sondern jetzt zu machen! Wir mögen
keine ungewaschenen Geschirr-Stapeln in der Küche!
Aber Hoheit betreten die Küche doch nie, außer zum Essen, so seht doch
nicht hin, Durchlaucht, am Nachmittag wird alles pikobello sein!
Ob Madame jetzt komplett daneben ist? Was heißt, wir betreten die
Küche nie? Das ist unser Haus, wir betreten alle Räume mit gleicher
Intensität und Zuneigung. Wir wünschen kein ungewaschenes Geschirr in
unserer geliebten Küche!
Hoheit können ja selbst abwaschen, wenn Ihro Sauberkeitsfimmel so
irritiert sind.
Augenverdrehen. Inbrünstiges Seufzen. Immer diese schnippischen,
idiotischen Antworten von Madame! Ja, das können wir. Wir könnten das
auch besser, zumal wir deutlich weniger Spülmittel verschwenden würden
als Madame! Aber sollen wir das auch noch selbst machen? Wir arbeiten
rund. um. die. Uhr, was verlange denn Madame noch von uns?
Madame läuft also in die Küche, wäscht ab, läuft wieder ins Badezimmer
und schließlich leicht verschwitzt in die Arbeit, während Majestät ob
dieses anstrengenden Gesprächs sich einmal auf der Couch ausruhen und
ein paar Stündchen Fernsehen muss.
Aus der königlichen Pathologie:
Mißbrauch: der Hofstaat ist Dienerschaft. Man kann kein Freund, Bekannter, Verwandter oder Angehöriger sein - man ist Personal. Sofern man die Rolle mag, kann das erfüllend sein. Wenn nicht, sollte man sich einen anderen Job suchen.