Wasserflecken

Wie wir bereits wissen, verabscheuen Ihre Majestät, jedenfalls sofern es Hoheit aufzufallen belieben, nichts mehr, als ungewaschenes Geschirr. Um Tobsuchtsanfälle und Demütigen zu vermeiden, sind Madame daher über die Jahre ein Vollprofi in Sachen Geschwindigkeit, Menge und Zeitaufwand bei Geschirrabwasch geworden, und mit wenigen Ausnahmen schafft sie es, dass die Küche wieder glänzt wie ein Speckschwartl, wenn Hoheit mit der Morgendusche nach dem Frühstück fertig ist und die Räumlichkeiten inspizieren kommt.

So auch heute: Madame ist soeben mit dem vermeintlich trockenen Geschirrtück über die geschrubbte Anichte gegangen, als Ihro allerhoheitliche Nachsichtigkeit die Küche betreten.
Mit einem Stapel Akten.
Aus Papier.

Flatsch.
Die Akten landen theatralisch auf der Anrichte. Majestät müssen sich nun durch die Akten arbeiten. Gerade als Madame die Küche verlassen will, kommt ein Aufschrei. Die Anrichte ist feucht! Was das bitte soll?

Verzeihung, Ihro Gnaden, ich habe gerade darüber gewischt.

Aber nicht trocken! Die Anrichte ist klatschnass!

Madame befühlt das Geschirrtuch: ja, ist ein bisserl feucht. Na dann müssen Hoheit eben ein bisserl warten, bis die Anrichte trocken ist.

Wir wollen aber nicht warten, bis die Anrichte trocken ist! Wir wünschen, sobald wir die Küche betreten und Akten auf die Anrichte legen, dass diese trocken ist. Ob Madame nicht mit einem trockenen Tuch darüber wischen kann? Das ist auch ja auch schlecht für die Furnier der Anrichte, wenn die immer so waschlnass ist.

Ihro Majestät, wir wischen immer trocken, das Tuch war versehentlich ein bisserl feucht. Na mei. Wieso müssen Euer Gnaden bitte auch unmittelbar nach dem Wischen Papier auf die Anrichte legen? Wenn Hoheit arbeiten will: das Schloss hat gefühlte 200 Räume, auch solche, die Schreibtische enthalten, ob Ihro Majestät sich nicht dazu hinreißen lassen möchten, Aktenarbeit an einem solchen durchzuführen, und nicht in der Küche, auf der Anrichte, der eben gewischten, noch dazu im Stehen?

Königlichstes Augenverdrehen. Seufzen. Wenn. wir. hier. arbeiten. wollen. dann. machen. wir. das. Wir arbeiten ständig, was heißt: immer!, hier auf der Anrichte, wir haben einen harten Job, also dann möchte doch Madame sich jetzt bitte nicht so unendlich blöd stellen und den ihrigen machen, der im Wesentlichen daraus besteht, diese Anrichte trocken zu wischen.

Madame wischt, eh, allerdings haben dann Hoheit in den nächsten Wochen nicht an der Anrichte in der Küche zu arbeiten beliebt, nein, sondern an der Kredenz im Wohnzimmer, direkt, nachdem Madame darüber gewischt hat.

Trocken diesmal.


Aus der königlichen Pathologie:

Mißbrauch: der König sucht direkt nach Gründen, den Hoftstaat, Verzeihung: deieDienerschaft, zur Sau zu machen. Wenn grad nichts anderes da ist, darf auch eine feuchte Anrichte der Auslöser sein. Vorschlag für ein Experiment: was, wenn die Anrichte in Zukunft immer nass wäre?

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