Wasserwaage
Wir
leben ja im Haus mit einem Einzekind. Einem Menschen, der glaubt, die
ganze Welt sei allein deshalb anwesend, damit ihm a) entweder permanent
und unsägliches Leid zugefügt wird, zufälligerweise immer von Menschen,
die dem kleinen Terroristen nahe stehen, oder b) ständig Bewunderung und
Wertschätzung entgegenflattern. Aktives Brechen mit oder Entsagen von
Menschen ist demnach kontraproduktiv, denn dann hat diese tickende
Zeitbombe, also Ihre vernachlässigte Hoheit, weder einen Grund für ihr
Leid, noch einen Menschen, der sich demütig entschuldigt, geschweige
denn ein Opfer, das man für vergangenes / jetziges / zukünftiges Leid
verantwortlich machen kann.
Nun,
ein Kind hätte es ernsthaft probiert. Majestät sind wiedermal
enttäuscht über die Unfähigkeit seiner Nachkommen und palavert vor sich
hin, greift in die Schublade der Untergriffigkeiten, posaunt das eine
oder andere Schimpfwort Richtung Familie. Angetrauter Partner des einen
Kindes, Schwiegerkind demnach, hört sich das eine zeitlang an, dann wird
eingeworfen: man möge bitte nicht so mit dem Ehepartner reden.
Majestät ignorieren das, Kind beschwichigt Ehepartner: Ihre väterliche Majestät reden durchaus in diesem Tonfall, der Ehepartner brauche sich nicht zu wundern, als Kind dieser Dynastie sei man dies gewohnt.
Ihre terrorisierende Durchlaucht, nur mit einem halben Ohr im eigentlichen Gespräch, bekommt das Gespräch unter den nachkommentlichen Eheleuten mit. Was bitte heißt, die Kinder seien gewohnt, dass Majestät immer in diesem Tonfall rede?
Nun,
Majestät neigen dazu, ausfällig zu werden, wenn Majestät wütend sind
(und Majestät ist oft wütend, sollte es dem Leser nicht aufgefallen
sein) werden wir nahezu untergiffig und derb in der Wortwahl.
Bauarbeiter sind Anstandsdamen im Vergleich zu Majestät, das müsse
Majestät ja klar sein, immerhin sind gerade eben derbste Schimpfwörter
gefallen. Majestät sollen bitte aber jetzt nicht wütend werden, müsse
aber verstehen, dass besagter Eheparter kurz erstaunt war, denn das
junge Paar bewege sich normalerweise auf verbal anderem Niveau, man darf
ja wohl zur Räson bringen.
Majestät
sind verletzt, entsetzt und wütend. Majestät sind prinzipiell nicht auf
diesem Niveau unterwegs. Das ständig und noch dazu absichtlich
widersprechende Kind bringe Majestät zu solchen Ausdrücken und -brüchen,
normalerweise wären Majesät überhaupt nicht dazu fähig (!), so zu
sprechen, denn Majestät seien von Geburt an niveauvoll. Aha! Beweis! Da
sehe der Ehepartner einmal, wie schlecht das von Majestät gezeugte Kind
ist, das ihm, dem Schwiegerkind, angetraut wurde, denn besagtes Kind
bringe niveaulvolle Menschen, wie etwa Majestät selbst, zu solchen
Aussagen! Überhaupt wäre Majestät verwundert, wieso der Ehepartner es
mit dem Nachwuchs aushalte.
Aus der königlichen Pathologie:
Täter-Opfer-Umkehr:
Auf sein destruktives Verhalten angesprochen, flüchtet sich der Narziss t
so gerne in die Opferrolle. Nicht Majestät selbst haben sich im Ton
vergriffen, jemand anderer hat Majestät erst dazu gebracht. Das muss
einem klar sein: wer dem König widerspricht, wird zum Täter.
Schweigen wäre wohl besser gewesen.
Lösung für den Hofstaat? Flucht. Bruch mit dem König. Aber das wird nicht leicht sein, denn der König wird nicht jemanden gehen lassen, den er ja noch brauchen könnte - wenn Majestät Bewunderung braucht, oder sich auf Kosten von anderen erhöhen möchte. Flucht ist eine Lösung. Aber eine verdammt schwierig umzusetzende. Den König darum zu bitten, als Mitglied des Hofstaats entlassen zu werden, ist ein Anfang. Klüger wäre wohl, ohne Entlassungsgesuch zu gehen.